Bilder aus dem Thüringer Wald

Nach den letzten ausführlicheren Einzelbeiträgen von einer langen Runde durch den Thüringer Wald (Sommergoldhähnchen, Waldbaumläufer, Heckenbraunelle), gibt es heute noch einen Ausschnitt weiterer Arten zu sehen.

Foto 1: Klar, der Eichelhäher darf im Wald natürlich nicht fehlen. Während er sich in Parks gerne auch mal aus der Nähe fotografieren lässt, bleibt er im Wald aufmerksam und scheu. Allerdings nicht ganz so scheu und geisterhaft wie die dort vorkommenden Tannenhäher, die sich hauptsächlich durch ihre markanten Rufe verraten haben.

Foto 2: Der Knusper-Mann, oder mal im Ernst: Das Erlenzeisig-Männchen. Erlenzeisige gelten als typische Wintervögel und Wintergäste, oft vergessen wird aber, dass sie auch heimische Brutvögel sind! In einem ausführlichen Übersichtsbeitrag von 2014 wird auch in “Der Erlenzeisig Carduelis spinus (Linnaeus) als Brutvogel in Thüringen” (Eberhard Mey) darauf hingewiesen, dass dies mitunter an mangelnden Daten/Interesse liegt, es aber durchaus viele Beobachtungs-Nachweise gibt. Wir haben am 30. April einen kompletten TK25-Quadranten kartiert und konnten bei konservativer Zählweise mind. 33 Individuen ausmachen, viele Männchen waren eindeutig bei der Balz (schmetterlingsartiger Singflug). Dazu passt, dass der Thüringer Wald zum bevorzugten Habitat passt, welches von einer fichtenbesetzten Mittelgebirgsregionen gebildet wird. Die besonders hohe Individuenzahl sowie -aktivität dürfte auf das (Fichten)Mastjahr 2022/23 zurückzuführen sein. Nach aktuellen DDA-Daten geht man in Deutschland von 21.000-51.000 (Brut)revieren aus.

Fotos 3&4: Eine Art der Gämswurz-Gattung (Doronicum). Diese Gebirgspflanze war eine Überraschung, es handelt sich vielleicht eine verwilderte Gartenpflanzen.

Foto 5: Eine auffällige kleine Biene ganz in schwarz-weiß: Die Graue Sandbiene

Foto 6: Eine weibliche Mönchsgrasmücke, die sich ein wenig hinter den Trieben versteckt hat. Die Geschlechter kann man wunderbar an der Kappe unterscheiden: Die Männchen haben eine schwarze, die Weibchen eine rotbraune. Beide sehen sehr hübsch aus

Foto 7: Der Wald-Mistkäfer. Eine tolle und blau schillernde Käferart, von denen wir einige dort hatten. Der Frühlings-Mistkäfer sieht ähnlich aus, mag aber eher offenes Gelände und hat keine Längsfurchen auf den Flügeldecken.

Foto 8: Das Wechselblättrige Milzkraut, was mit seinen Gelb-Grün-Tönen aufgefallen ist.

Wie eine Maus: Die Heckenbraunelle

Die Heckenbraunelle gehört zu den unbekannteren Deutschen Brutvögeln und das, obwohl sie mit 1,25-1,75 Millionen Brutpaaren in den Top 20 der häufigsten Brutvögel vertreten ist. Sie macht es einem aber auch nicht so einfach sie zu entdecken: Gleich einer Maus huscht sie im Unterholz auf der Suche nach Insekten und Samen umher und geht bei Verdacht auf Feinde schnell wieder in Deckung. Zwar macht das der Zaunkönig bspw. auch so, aber der ist noch wesentlich ruf- und singfreudiger und nicht ganz so scheu.

Diese Heckenbraunelle habe ich zuerst an ihrem Gesang erkannt. Dieser ist recht hoch und schnell wechselnd und nicht ganz so leicht einzuprägen. Mich erinnert er ein wenig an ein Rotkehlchen ohne so tiefe Töne und mit weniger flötender Charakteristik.

In der Literatur liest man, dass sie den Gesang vor allem während der Balzzeit oft von einer exponierten Warte wie einer niedrigen Fichtenspitze vorträgt. Nunja, hier war es ein Baumstumpf hinter Totholz und auch nur eine Strophe. Dann ist sie sogleich wieder flink und geschäftig weggewuselt. Da ich wusste, dass sie da sein musste, habe ich an der vermuteten Deckung, wohin der Schatten gehuscht ist, etwas ausgeharrt und da kam sie dann tatsächlich heraus und saß einige Zeit auf dem Ästchen.

Wer einen gut strukturierten Garten mit Hecken und Sträuchern sein Eigen nennt, kann Glück haben, dass sich Heckenbraunellen bei ihm ansiedeln. Ansonsten findet man sie (wenn man sie denn findet), in naturnahen strukturierten Wäldern mit viel Deckungsmöglichkeiten (Sträuchern, Krautschicht, viel Totholz) sowie an Feldgehölzen; also an Feldrändern, wenn sich dort Bäume und viele Sträucher oder Hecken befinden.

Der Waldwusel im Sonnenschein

Hier konnte ich den Waldbaumläufer in seinem typischen Habitat beim Herumklettern nach Insekten erwischen. Auch, wenn er durchaus mal in Siedlungsnähe beobachtet wird, bildet das im Gegensatz zum Gartenbaumläufer eher noch die Ausnahme.

Den Waldbaumläufer findet man vor allem in größeren Wäldern – Ob Nadel, Misch- oder Laubwald ist ihm dabei egal. Alt- und Totholzbestand sind aber wichtig, da er sich primär von Insekten und Spinnen ernährt, die er mit seinem feinen und gebogenen Schnabel unter Ritzen der Borke hervorpickt.

Super winzig, super hektisch und super putzig: Sommergoldhähnchen

Diese Saison war bisher kein Entkommen vor ihnen: Sommergoldhähnchen. Ob mitten im Thüringer Wald, im Stadtpark, im nahen Forstwald – ihr charakteristischer Fiepsgesang, der entfernt an eine hochfrequente Grauammer erinnert, war überall zu hören. Im Gegensatz zum nah verwandten Wintergoldhähnchen sind Sommergoldhähnchen tendenziell eher Zugvögel und damit vor allem im Sommer (Name) zu sehen bzw. hören. „Tendenziell“ deshalb, da einige den Winter über hier bleiben, im letzten Winter konnten wir sogar außergewöhnlich viele entdecken. Die Individuen, welche wegziehen verbringen das Winterhalbjahr im Mittelmeerraum und kommen im März zurück.

Ein anderer Unterschied zum Wintergoldhähnchen betrifft das Habitat, welches sie durchaus teilen können, allerdings sind Sommergoldhähnchen nicht so sehr auf reinen Nadelwälder spezialisiert und angewiesen.

Auf den Fotos sieht man zwei verschiedenen Individuen: Das erste, war gerade auf – wie üblich – hektischer Nahrungssuche, das zweite saß eine Zeit lang auf dem Zweig und hat sich geputzt.

Wollte er sich etwa vor mir verstecken, der Grauspecht?

Es gibt einige Spechte, die bei den meisten Leuten ein eher unbekanntes Dasein fristen, einer davon ist der Grauspecht. Zum Einen lebt der heimliche Grauspecht wesentlich zurückgezogener als sein enger Verwandter, der Grünspecht – beide bezeichnet man aufgrund ihrer Nahrungssuche als Erdspechte – zum anderen sind sie in Deutschland auch nicht flächig verbreitet und haben einige Habitatansprüche:

Größere und wildwüchsige Wälder mit hohem Totholzanteil, welche gerne an strukturierte halboffene Kulturlandschaften, Auen und Magerrasen grenzen dürfen – dann findet man auch Reviere außerhalb vom Wald. In Deutschland ist er nicht flächig verbreitet, er kommt vor allem in Regionen der Mittelgebirge vor und nimmt weiter nordwärts Richtung norddeutscher Tiefebene immer weiter ab, bis sich Populationen auf Einzelne Ausnahmen auflösen. 9.500-13.500 Brutpaaren in ganz Deutschland ist er damit ein sogar noch seltenerer Specht als der Kleinspecht.

Hier sieht man übrigens ein Männchen, zu erkennen an der roten Kappe. Beim Weibchen fehlt diese.

Eine schöne Überraschung: Kleinspecht turnt am Spitzahorn herum

Geschickt und akrobatisch wie eine Blaumeise turnt er auf der Suche nach Insekten herum: Der Kleinspecht-Mann! Im Sommer schleckt er am liebsten Blattläuse und baumbewohnende Ameisen – seine Hauptnahrung – auf. Im Winter sucht er vor allem im Totholz nach überwinternden Insekten(larven). Aufgrund seiner geringen Masse und Größe nimmt er damit eine ökologische Nische ein, die den größeren Spechten verwehrt bleibt.

Natürlich bringt die Winzigkeit auch einige Nachteile mit sich; so versuchen Kleinspechte die Reviere von den dominanten Buntspechten zu vermeiden, da dieser auch gerne die Nester von Kleinspechten plündert. Ebenso die höchste Eier-Anzahl unter den Buntspechten (Großer Buntspecht, Mittelspecht, Weißrückenspecht, Blutspecht) von 6-9 Eiern pro Gelege zeigt an, dass es eine höhere Verlustrate sowie eine geringere durchschnittliche Lebenserwartung als bei anderen Spechten gibt.

Die Buntfrau an der Saale & Neues übers Spechtklopfen

Diese hübsche Buntspecht-Dame habe ich im April bei der Nahrungssuche entlang der Saale fotografieren können. Man erkennt das Weibchen am fehlenden roten Fleck im Nackenbereich; diese Art des Geschlechtsdimorphismus gibt es bei fast allen Spechten. Beim Grün- und Grauspecht ist es ein roter Wangenfleck, beim Dreizehenspecht die gelbe Kopfkappe, beim Mittelspecht ist die rote Kopfkappe unterschiedlich lang und stark gefärbt usw.

Etwas, das schon immer für Interesse und Forschung gesorgt hat, war die Frage, wie Spechte ihr Hämmern beim Höhlenbau oder beim Trommeln schadlos überstehen können. Viele Studien und anatomische Betrachtungen haben jahrelang dafür plädiert, dass eine stoßdämpfende Wirkung Schäden verhindert. So haben koreanische Forscher 2011 in dem schwammartigen Knochen hinter dem Oberschnabel eine Art Absorptionsmaterial gesehen. Auch chinesische Forscher haben 2020 dem Zungenbein eine stoßdämpfende Wirkung zugesprochen, da es sich bei Spechten auffallend ganz um den Schädel spannt.

Eine neue Studie von der Universität Antwerben aus dem Jahr 2020 scheint das nun in Frage zu stellen und hat gute Argumente dafür: Gäbe es die stoßdämpfende Wirkung, würde das die Kräfte beim Schlag natürlich nicht nur im Kopf ausgleichen, sondern auch am Baum – es wäre kontraproduktiv und Spechte müssten noch viel mehr Kraft aufwenden. Dies wurde auch schon in einer Studie 1976 bemerkt. Vielmehr ist es so, dass im Spechtkopf ganz andere Kräfte wirken als bspw. bei uns Menschen. So ist der Kopf an sich und damit die Bewegungslänge viel kleiner, aber auch die Gehirnmasse ist bei Spechten so gering, dass viel kleiner Kräfte dort auftreten. Das zusammen mit der festen Einbettung des Gehirns reicht aus, um Schäden zu verhindern. Sie müssten dazu mind. doppelt so hart auf Holz schlagen, dass eine Dämpfung notwendig wäre.

Es gibt aber auch noch eine Menge weiterer interessanter anatomischer Anpassung an diesen Lebensstil: Die Schädeldick von Spechten ist verhältnismäßig dicker als bei anderen Vögeln und die Augen sind in einem knöchernen Sklerotikalring eingefasst und daher besonders gut geschützt. Dieser Sklerotikalring hat nur hinterseitig eine Kleine Öffnung für den Sehnerv und ist sonst massiv. Besonders starke Kiefernmuskeln können zudem die auftretenden Kräfte durch ein Zusammenziehen Millisekunden vor dem Schlag gleichmäßiger weiterverteilen. Im Vergleich zu anderen Vögeln ist auch der Unterschnabelknochen länger und die auftretenden Kräfte beim Schlagen über Wirbelsäule, Rippen und natürlich den Baumstamm weiterleiten. Bei den Rippen geht es mit Besonderheiten auch gleich weiter: Die ersten Rippenbögen sind bei Spechten verbreitert und zusätzlich durch kleine Querstreben verbunden. Die dort liegenden Bänder und Muskeln sind besonders kräftig ausgebildet, was eine Weiterleitung der Kräfte ebenso verbessert.

Spechte müssen also keine Angst vor Kopfschmerzen haben und könne Hämmern und Trommeln, was das Zeug hält (oder im Fall von morschem Holz auch nicht hält).

Immer nur kurz zu sehen: Die schöne Rotdrossel

Von all unseren heimischen Drosseln ist die Rotdrossel sicherlich die unbekannteste. Kein Wunder, sie ist bei uns nur in seltenen Ausnahmen ein Brutvogel und die allermeisten überwintern auch nicht hier, sondern ziehen weiter. Man kann sie daher meist nur während der Zugzeiten auf der Durchreise und Rast beobachten, wenn sie zu ihren Winterquartieren in Südeuropa und Nordafrika ziehen bzw. wieder in ihre Brutareale in Nordosteuropa zurückkehren. Die besten Beobachtungszeiten sind daher März und April sowie September bis November.

Immerhin sind sie dabei nicht vereinzelt, sondern in Trupps unterwegs, sodass sie einem gut auffallen, wenn man aufmerksam ist. Durch den Überaugenstreif und die rote Flanke sind sie unverwechselbar und auch im Ab- und Überflug gut zu erkennen: seitlich vom Schwanz sind Rotdrossel hell weiß und von den Flanken ausgehend sind auch die Unterflügeldecken schön rot.

Makrofotos typischer Frühblüher im April

Auf einer Tour an der Saale entlang habe ich mit dem Makro Anfang April einige Fotos fürs Frühblüher-Monitoring gemacht und klar: weil sie natürlich auch toll aussehen

Das sind allesamt häufige Arten, die man meist in lichten Wäldern, Waldrändern, Ufernähe oder teilweise auf beschatteten Wiesen finden kann.

Fotos 1&2: Busch-Windröschen. Ein echter Frühblüher, die Blütezeit geht im Februar los und im April ist schon wieder Schluss.

Foto 3: Die deutschen Trivialnamen von Viola odorata sind alle passend und gut beschreibend: Duftveilchen, Wohlriechendes Veilchen oder auch März-Veilchen.

Fotos 4&5: Gefleckte Taubnessel. Ähnlichkeit besteht mit der häufigeren Purpurroten Taubnessel, hier kommt es auf die Blütendetails der Unterlippen an (Muster und Form).

Foto 6: Gelbes Windröschen. Die gefiederten Blätter sehen aus wie die vom Busch-Windröschen, Blütenform und -Farbe ist aber anders.

Fotos 7&8: Große Sternmiere. Auffallend mit den großen, weißen Blüten, bei denen die Blütenblätter tief gegabelt sind.

Fotos 9&10: Scharbockskraut. Auffallend sind auch noch nach dem Verblühen die dicken und herzförmigen Blätter dieses Frühblühers.

Fotos 11&12: Gewöhnliche Vogelmiere. Die Makroaufnahmen täuschen sicher etwas über die wahre Größe: Die Blütenblätter sind gerade mal 3-5mm lang. Man kann sie das ganze Jahr über blühend beobachten.

Fotos 13&14: Wald-Gelbstern. Der Wald-Gelbstern unterscheidet sich von den ähnlichen anderen Gelbsternen dadurch, dass er zum einen unbehaart ist, zum anderen eine kapuzenartige Spitze an den Blättern zu sehen ist. Außerdem findet man ihn tatsächlich eher im Waldbereich und nicht auf Wiesen.

Bartmeisen im Winter, endlich auch mal die Frau erwischt

Ich hatte bei dem großen Schilfgebiet schon eine Vermutung, dass es vom Habitat passen könnte, das effektvolle “Pjjiii” hat sie dann verraten: Bartmeisen. Meist bleiben sie den Winter über hier, wenn sie nicht auf Zerstreuwanderungen gehen und sind dann in Trupps zu sehen. In diesem Gebiet in meiner thüringischen Heimat konnte ich 8 Individuen ausmachen. Das war das erste Mal, dass ich sie in Thüringen ausfindig machen und dass ich auch mal die Weibchen der Bartmeisen mit aufs Foto bringen konnte (letzte Bilder).

Bartmeisen sind aufgrund ihrer Lebensweise und Seltenheit in der Bevölkerung recht unbekannt und die meisten Leute sind begeistert, wenn sie von dieser Art und deren Vorkommen erfahren – Sie sind ja auch unglaublich toll und schön; allein schon der Bart, die schöne Iris und die Farben! Ironischerweise wird von den meisten Leuten aber auch ein Zustand angestrebt, der überhaupt erst zur Seltenheit dieser Art führt: Alles muss immer ordentlich und aufgeräumt aussehen und verschilfende und verlandende Gewässer sind für viele der gleiche Graus wie ein Wald mit Totholz oder eine Wiese mit Wildwuchs. Dabei sind Bartmeisen explizit auf ausgedehnte Schilffelder angewiesen: Gibt es diese nicht, besiedeln sie keine Gebiete. Auch andere seltene und zurückgezogen lebende Arten wie die Wasserralle, Rohrdommel, oder Kleines Sumpfhuhn sind auf dichte Ufervegetation angewiesen.

Durch die vielen künstlich geschaffenen Seen durch Tagebaue usw. gibt es in Deutschland auch keinen Grund eine Verschilfung einzelner Gewässer als etwas schlimmes anzusehen. Außerdem führt der weitere Prozess mit Verlandung schließlich irgendwann auch zur Bildung von Mooren. Ein Biotop-Typ, welcher heute aufgrund des Artensterbens, der Biodiversitätskrise und des Klimawandels wieder – dieses Mal positiv – im Fokus steht.