Neuntöter

Der Neuntöter gehört zur Familie der Würger, daher auch sein anderer Name “Rotrückenwürger”. Bekannt ist er vor allem dadurch, dass er seine Beute auf Stacheln oder Dornen aufspießt. Das macht er nicht aus Freude an Gewalt, sondern um einen Vorrat an Nahrung für schlechte Witterungsverhältnisse zu haben, wenn er nicht jagen kann.

Sie geben eine breite Geräuschpalette von sich, von der einige Sounds am ehesten an Bellen und zu schnell abgespielte CDs erinnern.

Mit dem Beginn einer intensiveren Landwirtschaft ab den 60er Jahren sind die Bestände drastisch eingebrochen und haben sich heute auf einem niedrigen Level eingepegelt. Man sagt, dort wo man einen Neuntöter erblickt, ist die Natur noch einigermaßen intakt. Im Winter sieht man in der Regel keine, denn sie sind bei uns Zugvögel.

Die Jungvögel ähneln auf dem ersten Blick dem adulten Weibchen, aber einige Unterschiede gibt es dennoch. Abgesehen davon, dass sie meist etwas plüschiger wirken, haben sie die hellbraune Bebänderung auch auf dem Kopf und Rücken und ihre “Räubermaske” ist auch stärker und dunkler gezeichnet als beim ausgewachsenen Weibchen.

Neuntöter sind bei uns Zugvögel, die man frühestens ab Mai wieder bei uns sehen kann.

Hier beide Individuen eines hübschen Neuntöter-Pärchens:

Im Abendlicht eines schönen Junitages, haben wir dieses Neuntöter-Männchen auf seinem Ansitz entdeckt.

Als Ansitzjäger halten Neuntöter Ausschau nach passender Beute, um sich dann auf diese zu stürzen. Deswegen ist klar, dass sie halboffene Landschaften bevorzugen: Hecken und Sträucher als Deckung und ausreichend Offenheit für den Überblick beim Ansitzen.

Zur Beute gehören überwiegend größere Insekten wie Heuschrecken und Käfer, aber auch mal kleinere Echsen oder Säuger wie Spitzmäuse und (echte) Mäuse.

Folgend ein Neuntöter-Männchen bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Nämlich auf seinem Ansitz auf passende Beute zu warten. Ab nun wird man sie aber erst einmal nicht mehr sehen, denn Neuntöter sind bei uns Zugvögel, die in Afrika überwintern und ungefähr im August beginnt die Zugzeit für diese Vögel.

Zuerst ziehen dabei die adulten Tiere, daher wird man im August, mit jedem voranschreitenden Tag, immer mehr diesjährige Neuntöter als ausgewachsene entdecken. Die Jungvögel ziehen dann 1-2 Wochen nach den adulten Tieren weg.

Hier haben wir einen weiblichen Neuntöter von Ende Juni. Die Fotos zeigen den Ansitz auf einer kargen Fläche am Rand eines Bruchwaldes im Sumpf- und Moorgebiet.

Neuntöter haben nur eine Jahresbrut und das Gelege besteht in der Regel aus 4-7 Eiern. Die Brut- und Nestlingszeit sind jeweils ca 2 Wochen lang. Nachdem die Jungen flügge geworden sind, werden sie, wie bei vielen anderen Vögeln auch, noch einige Zeit weiter von den Eltern versorgt, bis auch diese Fürsorge allmählich nachlässt und sie auf eigenen Beinchen stehen müssen. Wenn sich die Zeit des Wegzugs nähert, fliegen die Eltern zuerst Richtung Afrika, während die Jungvögel erst noch in verschiedene Richtungen streuen und später ebenfalls wegziehen, um dann nächsten Mai wiederzukommen.

Frau und Mann Neuntöter im Gebiet eines Hochmoores im Müritz-Nationalpark im Juni.

Dieses hübsche Neuntöter-Männchen konnte ich Anfang Juni auf seinem Ansitz fotografieren. Der Neuntöter gehört ja zur Familie der Würger, einer Gruppe von Vogelarten, die im Gegensatz zu anderen Singvögeln neben Insekten auch kleine Säuger, Reptilien oder andere Vögel erbeuten. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die schwarze Augenmaske.

Da eine schwarze Augenbinde bzw -Maske im Tierreich recht verbreitet ist, haben sich einige Wissenschaftler die Frage gestellt, ob das Schwarz um die Augen herum durch seine Lichtabsorption nicht auch hilfreich gegen Sonnenblendung ist und ggf den Jagderfolg erhöht? Die Alten Ägypter haben das bereits genutzt: Neben ästhetischen Aspekten war eine Schwärzung der Augenränder mittels Kajal im Altägyptischen Reich unter Menschen beiden Geschlechtes, eben auch aus Gründen des Blendungs-Schutzes, verbreitet und normal.

Die Studie wurde nicht am Neuntöter, aber einem nahen Verwandten durchgeführt: Dem Maskenwürger. Das Studiendesign sah 3 Gruppen vor : 1. Vögel, bei denen die Augenmaske mit abwaschbarer Farbe Weiß gemacht wurde. 2. Vögel, bei denen die Augenmaske mit der natürlichen Farbe (also schwarz) bemalt wurde, um Effekte der Farbe an sich auszuschließen und natürlich 3. Vögel, ohne solche Behandlung.

Die Ergebnisse waren hochsignifikant und eindeutig klar: Würger, die kein Schwarz mehr um die Augen hatten, haben nur noch ausschließlich mit der Sonne im Rücken und einem schlechteren Jagderfolg gejagt. Als die Farbe wieder entfernt wurde, gab es zu den anderen Gruppen auch bei den ursprünglich weiß bemalten Vögeln, keine Unterschiede mehr.

Das ist eine sehr interessante Feststellung, die sich leicht nachvollziehbar durch Selektion erklären lässt: Zufällige Genmutationen haben einzelnen Tieren, die als Prädatoren leben, einen deutlichen Selektionsvorteil gegenüber ihren Artgenossen ohne diese Mutation gegeben und konnten diese Mutationen anschließend der nächsten Generation weitergeben, bis sich das zum heutigen Stand entwickelt hat.

Sowohl 2023 als auch 2022 konnten wir sehr viele Neuntöter bei unseren Zählungen erfassen und meist auch fotografieren – so wie dieses Pärchen Ende Mai in einem NSG mit mind. zwei Brutpaaren. Nach einem massiven Bestandseinbruch im Zuge der Flurbereinigung und Industrialisierung der Landwirtschaft ab den 70ern, hat sich der Deutsche Bestand mittlerweile auf einem Niveau von 29.000-33.000 Brutpaaren eingependelt und es ist immer wieder schön Neuntöter in einem (halbwegs) intakten Habitat beobachten zu können.

In Großbritannien dagegen ging der Sinkflug ab den 70ern soweit, dass die Art dort Ende der 80er ausgestorben ist. Es gab dann immer wieder sporadische einzelne Bruten und eine 2006 erschienene Studie hat mittels eines berechneten Klimamodells dann hoffnungsvoll eine erneute starke Verbreitung in GB vorhergesagt, da der Klimawandel und die berechneten Parameter dem Neuntöter entgegenkommen sollten.

Ein paar Jahre später musste man dann ernüchtert feststellen: Nichts könnte von der Wahrheit mehr entfernt sein – was war passiert? Nun, man hat in der Klimamodell-Studie den Fehler gemacht nur Klimaparameter wie Temperatur etc. zu berücksichtigen. Biologische Faktoren wurden nicht bedacht. 2023 gibt es exakt 3 (!) sicher nachgewiesene Brutpaare in ganz Großbritannien. Seitdem weisen Wissenschaftler und Forscherinnen vor allem aus der Biologie auch immer wieder auf Grenzen der Aussagekraft solcher Modelle hin und dass man biotische Variablen mit einbeziehen muss.

Dies zeigt auch, dass sowohl in der Vergangenheit, Gegenwart und absehbar auch in naher Zukunft, die Lebensraumzerstörung eines der größten Probleme des Artensterbens bleibt und dass Klimamaßnahmen alleine dieses nicht aufhalten werden, sofern keine Maßnahmen für einen sensibleren Umgang mit der Natur insgesamt ergriffen werden.

Jeder hat so Dinge, die er gerne bei oder um sich hat und die er als nützlich betrachtet. Was den Neuntöter anbelangt, so trifft dies zweifelsfrei auf Ansitzwarten zu, auf den er in halboffenen Landschaften nach passender Beute Ausschau hält. Bei dieser Beute handelt sich oft um Großinsekten wie Käfer und Heuschrecken, aber auch kleinere Hautflügler wie Wespen, denen vor Verzehr der giftige Stachel entfernt wird. Besonders bekannt und bemerkenswert ist das Vermögen dieses Singvogels, auch kleinere Säuger wie Mäuse oder Reptilien sowie Amphibien zu erbeuten.

Wie erwähnt handelt es sich beim Neuntöter, auf dem Foto ein Männchen, um einen Singvogel (Passeriformes) und keinen Greifvogel in Miniaturformat (Accipitriformes), daher kann er mit seinen kleinen Singvogelfüßen Beutetiere nicht wirklich fest greifen, um sie zu bearbeiten. Dies zu kompensieren ist nämlich ein weiterer Grund, warum Neuntöter ihre Beute gerne auf Dornen wie vom Weißdorn aufspießen, um dann bspw. den Chitinpanzer von Insekten zu entfernen. Ein weiterer Grund ist, dass man sich damit selbst ein Vorratsregal anlegen kann Bis zu maximal 30 Beutetiere wurden in so einer Art Vorratshaltung bereits einem Individuum zugeordnet.

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